Der Verkäufer eines vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs kann für die Erfüllung seiner Gewährleistungspflichten zur Lieferung eines Neuwagens der Folgegeneration verpflichtet sein.
Darauf verweist der Fachanwalt für Verkehrsrecht Marcus Fischer, Vizepräsident des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V.-, unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 22.04.2020 zu seinem Urteil vom 02.04.2020 – Az. 18 U 60/19.
Die Klägerin, ein Unternehmen aus dem Kölner Umland, hatte mit Vertrag vom 29.01.2014 von dem beklagten örtlichen Autohaus einen neuen PKW VW Touran der ersten Generation gekauft. Seit 2015 wird nur noch die Folgegeneration des Fahrzeugs hergestellt. Das von der Klägerin erworbene Fahrzeug war mit der von VW als „Umschaltlogik“ bezeichneten Software ausgestattet, welche dazu führt, dass das Fahrzeug lediglich im Testmodus die gesetzlichen Vorgaben für Abgase erfüllt, nicht aber im Betriebsmodus. Die Klägerin hatte das Fahrzeug als mangelhaft beanstandet und Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs verlangt. Die Beklagte hatte dagegen geltend gemacht, dass eine Nachlieferung wegen des Produktionsendes der ersten Generation unmöglich sei und jedenfalls einen unverhältnismäßigen Aufwand gegenüber dem Aufspielen eines Software-Updates darstelle.
Der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln ist der Argumentation der Klägerin gefolgt und hat die Beklagte zur Lieferung eines konkret spezifizierten Neufahrzeugs der Nachfolgegeneration verpflichtet. Die Klägerin muss aber das alte Fahrzeug zurückgeben und Wertersatz für die Nutzung leisten.
Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Anspruch auf Nachlieferung möglich sei, obwohl es kein Neufahrzeug der ersten Generation mehr gebe. Der Nachlieferungsanspruch könne durch Lieferung eines Nachfolgemodells erfüllt werden. Da Nachfolgemodelle in der Regel technisch fortschrittlicher seien, sei kein Anhaltspunkt ersichtlich, warum die Klägerin nicht auch ein solches Nachfolgemodell als nacherfüllungstauglich ansehen sollte. Für die Beklagte als Verkäuferin sei darauf abzustellen, wie hoch der Ersatzbeschaffungsaufwand sei. Zu diesem Aufwand habe die Beklagte trotz Hinweises des Senats nicht vorgetragen. Daher habe der Senat nicht feststellen können, dass dieser so hoch sei, dass eine Nacherfüllung mit dem Nachfolgemodell ersichtlich nicht mehr den Interessen der Beklagten entspreche. Auch wenn Ausstattungsmerkmale des ursprünglich erworbenen Fahrzeugs nicht zur Serienausstattung des Nachfolgemodells gehörten, bedeute dies nicht, dass die Beschaffung eines so ausgestatteten Fahrzeugs grundsätzlich nicht möglich sei.
Dass die Nachlieferung gegenüber der Nachbesserung durch Aufspielen eines Software-Updates unverhältnismäßig sei, konnte der Senat ebenfalls nicht feststellen. Unverhältnismäßigkeit komme nur dann in Betracht, wenn das Software-Update grundsätzlich zur Mangelbeseitigung geeignet sei. Zwar könne angenommen werden, dass der „Primärmangel“ durch das Software-Update beseitigt werde. Nach der Installation des Updates bestehe nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht mehr die Gefahr der Versagung der Betriebserlaubnis. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass mit dem Software-Update Folgeprobleme verbunden seien, die derzeit jedenfalls in der Fachöffentlichkeit diskutiert würden.
Allerdings muss die Klägerin das alte Fahrzeug zurückgeben und Wertersatz für dessen Nutzungen zahlen, weil bei Nacherfüllung des Verkäufers die Befreiung von der Wertersatzpflicht für Nutzungen nach § 475 Abs. 3 S. 1 BGB nur für Verbraucher gilt. Den Nutzungsersatz hat der Senat unter der Berücksichtigung des ursprünglichen Kaufpreises, der bisher erbrachten Fahrleistung und der regelmäßig von einem Dieselfahrzeug zu erwartenden Gesamtnutzung berechnet.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil zugelassen.
Rechtsanwalt Marcus Fischer rät, das Urteil zu beachten und in allen Zweifelsfällen unbedingt rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen.