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EuGH hat entschieden: Vogelschlag bleibt außergwöhnlicher Umstand, aber …

 

Vogelschlag bleibt im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) außergewöhnlicher Umstand.

Der Europäische Gerichtshofs (EuGH) hat sich nun ebenfalls mit der Frage befasst, ob ein Vogelschlag einen außergewöhnlichen Umstand darstellt, der dazu führt, dass die Fluggesellschaft keine Ausgleichsansprüche nach der Fluggastrechteverordnung zu zahlen hat. Die Entscheidung hierzu liegt seit dem 04.05.2017 vor. (Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr. 44, /17 vom 04.05.2017).

 

Der Präzedenzfall zum „Vogelschlag-Urteil“

Im konkreten Fall ging es um die Passagiere Frau Pešková und Herr Pešká, die am 10. August 2013 von Burgas (Bulgarien) nach Ostrava (Tschechische Republik) reisen wollten. Während eines verspäteten Flugs kollidierte die Maschine mit einem Vogel, was eine technische Kontrolle erforderlich machte. Diese erfolgte noch am Flughafen durch eine autorisierte Gesellschaft. Darüber hinaus bestand die Eigentümerin der Maschine auf eine weitere Prüfung durch einen firmeneigenen Techniker, der allerdings noch aus einer anderen Stadt anreisen musste. Bei beiden Kontrollen wurden keine Beeinträchtigungen entdeckt, die einen Abflug der Maschine verhindert hätten. Die erfolgten Verzögerungen führten jedoch dazu, dass die Passagiere mit einer Verspätung von 5 Stunden und 20 Minuten den Zielort erreichten.

 

Passagiere klagen Fluggesellschaft wegen Verspätung an

Da ihr Flug bei der Ankunft mehr als drei Stunden verspätet gewesen sei, erhoben Frau Pešková und Herr Pešká beim Bezirksgericht Prag 6 Klage auf Zahlung von jeweils 6.825 Tschechischen Kronen (rund 250,00 Euro). Sie bezogen sich mit ihrer Forderung auf die Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Das Bezirksgericht Prag 6 stellte daraufhin dem EuGH unter anderem die Frage, ob Vogelschlag ein außergewöhnlicher Umstand sei, dessen Eintreten die Fluggesellschaft von ihrer Ausgleichspflicht im Fall einer Flugverspätung von drei Stunden oder mehr befreien würde. Gemäß dieser Verordnung und der Rechtsprechung des EuGH ist die Fluggesellschaft nicht dazu verpflichtet, Ausgleich zu leisten, sofern die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen zu diesem Zweck ergriffen worden wären.

 

Vogelschlag vom EuGH als außergewöhnlicher Umstand festgelegt

In seinem am 04.05.2017 verkündeten Urteil erinnerte der EuGH an seine Rechtsprechung, wonach außergewöhnliche Umstände im Sinne der Verordnung folgendermaßen definiert sind: „Außergewöhnliche Umstände sind Vorkommnisse, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft und von ihr nicht tatsächlich beherrschbar seien.“ Der EuGH wies darüber hinaus darauf hin, dass das vorzeitige Auftreten von Mängeln an bestimmten Teilen eines Flugzeugs kein außergewöhnlicher Umstand sei, da ein solcher Ausfall untrennbar mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden wäre. Der reibungslose Betrieb des Flugzeugs und dessen Wartung lägen nämlich im Verantwortungsbereich der jeweiligen Fluggesellschaft. Mit seinem Urteil verdeutlicht der EuGH, dass Vogelschlag sowie eine dadurch eventuell verursachte Beschädigung nicht untrennbar mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden und eine solche Kollision von der Fluggesellschaft damit nicht tatsächlich beherrschbar sei. Damit sei Vogelschlag grundsätzlich ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung. 

 

Fluggesellschaft ist bei Vogelschlag aber nicht immer von Ausgleichspflicht befreit

Der EuGH weist aber darauf hin, dass die Fluggesellschaft von ihrer Ausgleichspflicht nur dann befreit ist, wenn sie a) einerseits nachweisen kann, dass die Annullierung des Fluges bzw. dessen Verspätung um drei Stunden oder mehr auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückgeht, der sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, und   b) andererseits, dass seitens der Fluggesellschaft alle Maßnahmen ergriffen wurden, um die durch die außergewöhnlichen Umstände verursachte Verspätung zu vermeiden.

 

Beurteilung des vorliegenden Falls

Im genannten Fall lautete die Fragestellung, ob die Fluggesellschaft nach dem Vogelschlag alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hatte, um die Verspätung des Fluges zu verhindern. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass das betreffende Flugzeug am Flughafen von Burgas offenbar von einem nach den einschlägigen Vorschriften hierzu autorisierten örtlichen Fachmann kontrolliert wurde. In diesem Fall ist der Gerichtshof der Ansicht, dass eine zweite Kontrolle des Flugzeugs nicht erforderlich war, um sich der Betriebsbereitschaft des Flugzeugs zu vergewissern, – die auf einer solchen Kontrolle beruhende Verspätung kann im Hinblick auf die Ausgleichspflicht gemäß der Verordnung nicht gerechtfertigt werden. Weiterhin betonte der EuGH, dass die Fluggesellschaft nicht verpflichtet sein kann, Maßnahmen zu ergreifen, die ihren Kapazitäten untragbare Opfer abverlangen würden. Auch wenn die Fluggesellschaft dazu verpflichtet wäre, bestimmte Vorkehrungen zu treffen, um die Risiken durch Vogelschlag zu verringern oder gar zu beseitigen, sei sie nicht für Aufgabenbereiche anderer Stellen verantwortlich, wie dem Flughafenbetreiber oder den zuständigen Fluglotsen. Zu deren Zuständigkeit gehöre es auch, die nötigen Vorkehrungen gegen die Kollision mit Vögeln zu treffen.

 

Das Urteil des EuGH bei Vogelschlag – mehr Deutungsspielraum für betroffene Passagiere

Schließlich führte der EuGH Folgendes aus: Bei einem Zusammentreffen von entlastenden außergewöhnlichen Umständen – wie der besagten notwendigen Kontrolle und dem darauffolgenden Vogelschlag – und zu vertretenden Gründen sei die auf dem außergewöhnlichen Umstand beruhende Verspätung von der gesamten Verspätungszeit abzuziehen. Daraufhin kann beurteilt werden, ob die von der Fluggesellschaft zu vertretende Verspätung drei Stunden oder mehr beträgt und deshalb zu Ausgleichszahlungen führt. Für Passagiere bedeutet dieses Urteil, dass die Fluggesellschaft nachweisen muss, dass sie sowohl alle technischen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um Vogelschlag zu vermeiden. Darüber hinaus musste die Fluggesellschaft nachweisen, dass sie alles unternommen hat, um die Verspätung nach einem solchen Vorfall so kurz wie möglich zu halten.

Der EuGH schließt also Ausgleichszahlungen an Passagiere nicht kategorisch aus. Wie die Gerichte dies hierzulande umsetzen werden, steht auf einem anderen Blatt.

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Kevin Nowack, SALLECK + PARTNER

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